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Der Klimawandel könnte die Kleinsten am härtesten treffen

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Fauna & Tierwelt.

Beim Betrachten der Klimawandeleffekte konzentrieren sich die meisten Menschen auf grosse Arten wie Robben, Wale und natürlich Eisbären. Doch die Arktis ist eine sehr artenreiche Region und besteht aus einer Vielzahl anderer Tiere. Ein Forschungsteam der Washington Universität hat herausgefunden, dass arktische Gliedertiere wie Insekten und Spinnen noch einer härteren und unsichereren Zukunft entgegenblicken könnten als die anderen arktischen Botschafter. Die Studie wurde nun im Royal Society Open Science veröffentlicht.

Grosse Gebiete der arktischen Tundra wie in Grönland sind sehr pflanzenreich. Hier leben auch unzählige Tiere, die man gerne beim Durchqueren der Tundra übersieht: arktische Arthropoden. Bild: Michael Wenger
Grosse Gebiete der arktischen Tundra wie in Grönland sind sehr pflanzenreich. Hier leben auch unzählige Tiere, die man gerne beim Durchqueren der Tundra übersieht: arktische Arthropoden. Bild: Michael Wenger

Gliedertiere regieren die Arktis, nicht Eisbären. Arthropoden bilden den Hauptanteil an der tierischen Biomasse in der Tundra, nicht Vögel oder Säugetiere. Dazu haben sie verschiedenen Arten von Anpassungen an die extreme Kälte angenommen. Beispielsweise sinkt an der Forschungsstation Zackenberg in Grönland die Tagestemperatur im Winter teilweise auf unter -30 Grad Celsius. Daher sind einige Insektenarten dort Erfrierungstolerant, einige bilden Antifrostschutzproteine in den Zellen, andere trocknen einfach aus, um nicht zu gefrieren. Nun hat eine Arbeit der Washington Universität in St. Louis untersucht, wie die kleinsten arktischen Botschafter mit der rapiden Erwärmung in der Region umgehen. Die Studie basiert auf den grössten Datensätzen über arktische Gliedertiere, die es weltweit gibt: ein Katalog von mehr als 600‘000 Fliegen, Wespen, Spinnen, und anderen Arten, die an der Zackenberg-Station zwischen 1996 – 2014 gesammelt worden waren. Das Ergebnis der Studie: wärmere Sommer und Herbstsaisons und weniger Frost-Tau-Momente im Winter haben zu Veränderungen in der relativen Artenzahl in der Arktis geführt, erklärt Amanda Koltz, Forschungsassistentin und Hauptautorin der Studie. Im Vergleich zu kälteren Jahren findet man aber mehr pflanzenfressende und parasitische Arthropoden und weniger Destruenten (Insekten, die abgestorbenes Material fressen).

Neben Moskito leben viele fliegende Insekten, wie beispielsweise die arktische Hummel (Bombus polaris) das ganze Jahr über in der Tundra, auch in Grönland. Bild: Joaquin Alves Gaspar
Neben Moskito leben viele fliegende Insekten, wie beispielsweise die arktische Hummel (Bombus polaris) das ganze Jahr über in der Tundra, auch in Grönland. Bild: Joaquin Alves Gaspar

„Wir erwarteten, dass die Tiere an eine enorme Bandbreite von Temperaturen und extremen Bedingungen angepasst sein müssten“, sagt Koltz weiter. „Doch die Antworten auf saisonale Temperaturschwankungen sind ganz unterschiedlich unter den Arthropodengruppen. Doch als Resultat lässt sich sagen, dass durch die wärmeren Sommer die Zusammensetzung der hocharktischen Arthropodenarten verändert“, meint Koltz, die diese Arbeit mit Kollegen aus Dänemark  durchgeführt hatte. „Zwanzig Jahre sind vielleicht nicht genug, Veränderungen in der Häufigkeit von länger-lebenden Arten zu entdecken.  Doch die Tatsache, dass wir innert diesen zwanzig Jahren tatsächlich Veränderungen bei einigen der Tiergruppen mit einer so groben taxonomischen Auflösung, ist bemerkenswert. Die Änderungen der Zusammensetzung waren in trockenen Lebensräumen um bis zu fünfmal höher als in den feuchten Gebieten. Das deutet darauf hin, dass die Wasserverfügbarkeit eine Hauptrolle spielen wird, welche Gliedertiere zum Schluss in einer wärmeren Arktis überleben werden. Und durch die sich ändernden Arteninteraktionen und Nahrungsnetzdynamiken werden gemäss Koltz auch Veränderungen auf der Ebene des Ökosystems zu erwarten sein. Beispielsweise könnten mehr pflanzenfressende Insekten den Frassdruck auf Pflanzen erhöhen, während eine Abnahme der Destruenten eine Änderungen der Abbauraten und der Bodennährstoffkreisläufe bedeuten könnten. „Wir übersehen oft diese kleinen Kerlchen. Doch es könnte echte Konsequenzen haben, wenn sich die Zahlen der Kleinen verändern“, sagt Koltz zum Abschluss.

Der Wasserkäfer Hydroporus morio ist ein gefährlicher Räuber, der auch im hohen Norden Grönlands zu finden ist. Dort lebt er in Wassertümpeln und kann sogar dem Frost widerstehen. Bild: Microphoto
Der Wasserkäfer Hydroporus morio ist ein gefährlicher Räuber, der auch im hohen Norden Grönlands zu finden ist. Dort lebt er in Wassertümpeln und kann sogar dem Frost widerstehen. Bild: Microphoto

Quelle: Washington University